Umgang mit Kritik und Beschwerden im Klinikalltag
Wenn es um den Umgang mit Kritik geht, unterscheiden sich Mitarbeiter einer Klinik in keinster Weise von Menschen anderer Berufsgruppen. Die meisten von ihnen können nur schwer mit Kritik und Beschwerden umgehen. Dabei ist es egal, ob die Kritik durch einen Patienten, Kollegen oder Angehörigen geäußert wird. Das Einzige was sich unterscheiden kann, ist der Grad der Emotionalität mit dem der Kritik begegnet wird.
Gerechtfertigte oder ungerechtfertigte Kritik
Auch der Umstand, ob eine Kritik gerechtfertigt oder ungerechtfertigt ist, macht meistens keinen großen Unterschied. Viele Menschen haben einfach nicht gelernt, wie sie „gut“ mit Kritik umgehen können, sondern ihr Anliegen ist es eher, sich soweit wie möglich von der Kritik oder der Beschwerde zu distanzieren. Und sollte das Ganze in einen Streit ausarten, diesen auf jeden Fall zu gewinnen.
Das ist sehr gut zu erkennen an den klassischen Reaktionsmustern, die von 90% der Personen gezeigt werden, wenn eine mögliche Kritik im Raum steht. Und diese Reaktionen erfolgen oftmals schon, bevor der Kritik-Geber seine Kritik überhaupt fertig ausgesprochen hat!
Ich spreche betont von „möglicher Kritik“, da viele Menschen auch negativ reagieren, obwohl der Sender seine Aussage vielleicht gar nicht kritisch meint, sondern als Anregung. Ich bin sicher, Sie wissen wovon ich spreche. Achten Sie also darauf, ob Sie nicht selbst zu diesen Reaktionsmustern neigen und versuchen Sie diese zu kontrollieren. Und wenn Sie als Führungskraft diese Muster bei Ihren Mitarbeitern bemerken, sprechen Sie diese, am besten in einem Vier-Augen-Gespräch, an. Die meisten von uns können besser mit Kritik umgehen, wenn sie nicht vor einem Dritten oder einer Gruppe geäußert wird. Von Ihnen als Vorgesetzten wird aber erwartet, dass Sie auch vor Dritten professionell mit Kritik umgehen, wenn Sie mal kritisiert werden. Sie sind auch in Punkto Kritik-Geber und Kritik-Empfänger ein Vorbild, dem man auch im negativen Fall oftmals „nacheifert“.
Hier also klassische Reaktionen auf „mögliche“ Kritik:
Erklärungen (viele Menschen fangen sofort an, eine langatmige Erklärung abzugeben: warum, wieso, weshalb… Und das, obwohl gar nicht danach gefragt wurde!)
Rechtfertigungen („Ich konnte nicht, weil…“)
Schuld-Verschiebungen („Das war ich nicht, das war…“)
Schuld-Verschiebungen durch Fragen („Haben Sie denn auch richtig nachgeschaut?“)
Verantwortungs-Verschiebungen („Dafür bin ich nicht zuständig…“)
Recht-Geben („Ja, Sie haben Recht, ich weiß, das haben mir schon viele gesagt, das ist mein Problem…“) Übrigens eine wunderbare Methode, um jegliche Kritik auszuhebeln, „Ja, ich weiß.“
Trotz-Reaktionen (oftmals mit nachträglichem „Schmollen“)
Stoisches Schweigen (es kommt gar keine Reaktion, innerlich überlegt das Gegenüber jedoch schon, wie er sich rächen kann)
Tränen (ist eine Reaktion, die Männer oft hilflos macht oder nervt, und Frauen persönlich trifft)
Wutausbrüche (meisten gepaart mit Gegenangriffen)
Herunterspielen („So schlimm war das ja jetzt auch nicht.“)
Hektische Betriebsamkeit („Ja, ich kümmere mich sofort darum, so was passiert nie wieder…“) Da nicht bis zum Ende zugehört wird, werden oft Aktionen in Gang gesetzt, die eventuell gar nicht nötig waren oder falsche Lösungen für das Problem angewandt.)
Gegenangriff („Sie sind ja auch nicht immer perfekt!“)
Gleichgültigkeit („Ist mir egal, wenn Dich das stört. Das ist Dein Problem.“)
Generalisierung („Das ist doch überall so. Das machen alle so.“)
Belehrung („Sie sind in einem Krankenhaus und nicht im Hotel!“)
Tipps zur Deeskalation
Was wären also bessere Reaktionsmuster, um professionell und „sachlich“ mit Kritik und Beschwerden umzugehen? Hier einige Tipps, die auch deeskalierend wirken können:
- Lassen Sie den anderen ausreden (wichtigste Regel von allen).
- Stellen Sie nur Fragen, die zu der Klärung der Situation beitragen und nicht dazu, die Schuld auf den Kritik-Geber zu schieben, „Warum haben Sie sich nicht früher beschwert?“
- Überdenken Sie die Kritik. Was können Sie daraus Nützliches lernen?
- Fragen Sie den anderen, was er von Ihnen erwartet.
- Kontrollieren Sie Ihre Emotionen. Falls Sie dazu nicht in der Lage sind, siehe Punkt 12.
- Fallen Sie nicht in eine der typischen Abwehr-Reaktionen, siehe oben.
- Würdigen Sie das Recht auf eine eigene Meinung.
- Versuchen Sie, wenn möglich eine Lösung zu finden.
- Wenn etwas Sie verletzt oder ärgert in der Art der Äußerung, sagen Sie es. Benutzen Sie die „Ich-Form“, „Ich empfinde Ihre Kritik als äußerst verletzend, da…“.
- Achten Sie auf Ihre Mimik und Wortwahl.
- Seien Sie nicht nachtragend.
- Wenn Sie Zeit zum Nachdenken brauchen, fordern Sie diese ein (kann sinnvoll sein bei Kollegen, nicht unbedingt im Umgang mit Patienten.) Gehen Sie auf jeden Fall noch einmal auf die Person zu und zwar zeitnah (innerhalb der nächsten 24 Stunden).
- „Rächen“ Sie sich nicht an der Person, indem Sie vor anderen schlecht über sie reden. Das bringt nur schlechte Stimmung in ein Team. Außerdem hilft das wiederholte Sprechen über eine solche Situation nicht dabei, dass Sie sie verarbeiten. Meistens werden Sie sich nur innerlich emotional wieder aufladen. Das schadet letztendlich Ihnen am meisten! Und kann Ihnen auch den Schlaf rauben.
- Ergehen Sie sich nicht in zerstörerischen Selbstzweifeln, nur weil Sie einmal kritisiert wurden.
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