Wertschätzung – Was bedeutet das eigentlich?

Das Wort „Wertschätzung“ ist in aller Munde. Besonders in Kliniken fühlen sich Menschen nicht wertgeschätzt. Kliniken sind meine Welt. Ich arbeite ausschließlich für Kliniken und das seit über 25 Jahren.

Wenn ich Menschen in Kliniken frage: Wann fühlen Sie sich wertgeschätzt? bekomme ich oft die Antwort: Das ist eine gute Frage… Oft kommt nicht viel mehr.

Wenn ich dann aber weiter nachhake, kommt eine Lawine ins Rollen:

  • Das jemand „Guten Morgen“ sagt.
  • Dass Patienten nicht so viele Ansprüche haben.
  • Dass meine Kompetenz anerkannt wird (von Patienten und Ärzten, auch wenn ich erst seit 2 Jahren examiniert bin).
  • Dass alle im Krankenhaus auf Augenhöhe sind.
  • Dass niemand meine Entscheidungen in Frage stellt.
  • Dass ich mir meine Arbeitszeiten aussuchen kann, auch wenn dann jemand anderes im Team einspringen muss.
    Dass ich nicht kritisiert werde.
  • Dass Krankenscheine nie in Frage gestellt werden, auch wenn ich auf Insta Fotos poste, was ich in meiner „Krankzeit“ getan habe. Schließlich diente die Party meiner psychologischen Erholung…
  • Dass ich keine Dokumentation mehr machen muss.
  • Dass Pflege mir mehr Arbeit abnimmt.
  • Dass die Verwaltung keine Wirtschaftlichkeit verlangt.
  • Dass ich alle Geräte, die ich glaube zu brauchen, auch von der Verwaltung genehmigt werden.
  • Dass wir immer genügend Personal zur Verfügung haben. Vorzugsweise keine Honorarkräfte. Die kosten zu viel und wissen meistens nicht Bescheid, wie es speziell bei uns läuft (egal, ob sie schon in Dutzenden von anderen Kliniken tätig waren…):
  • Dass Kosten keine Rolle mehr spielen, schließlich arbeiten wir mit Menschen.
  • Dass meine Gehaltsforderungen bezahlt werden, egal ob Geld da ist oder nicht.
  • Dass meine Klinik nicht schließt, auch wenn wir weit über Budget agieren. Schließlich ist das mein Arbeitsplatz und ich will nicht 20 Km oder mehr in eine andere Klinik fahren.
    Diese Liste ließe sich beliebig weiterführen.Was will ich damit eigentlich sagen? Das Wertschätzung nicht ein Synonym für Egoismus werden sollte. Dass auch hier Augenmaß angesagt ist und dass, wenn ich Wertschätzung verlange, auch an der einen oder anderen Stelle in Vorleistung gehen könnte. Vielleicht bekomme ich dann auch mehr davon…

    Momentan habe ich das Gefühl, dass Worthülsen runtergebetet werden und immer sind die anderen schuld, wenn ich nicht bekomme, was mir angeblich (und manchmal auch real) zusteht. Solange wir immer nur nach anderen schauen und uns selbst aus der Gleichung rausnehmen, wird sich nicht wirklich etwas ändern.

    Das Gesundheitswesen in Deutschland steht sicherlich an einem Scheideweg, doch nur Forderungen und Schuldzuweisungen ändern langfristig auch nichts.