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Mutiger öffentlich sprechen

Auszug aus dem gleichnamigen Kapitel meines Buches: Lass deine Tigerin aus dem Käfig. Ein Mutbuch speziell für Frauen

Mut in der Öffentlichkeit

Viele Frauen können ja ganz gut kommunizieren. Darüber wurden schon viele Bücher geschrieben. Angeblich sind wir kommunikative Wesen. Frauen scheuen sich auf jeden Fall selten, viel zu kommunizieren. Doch das sieht oft ganz anders aus, wenn sie vor Gruppen sprechen müssen. Am besten noch einen Vortrag halten müssen. Dann verlässt sie meistens jeglicher Mut. Auch im beruflichen Umfeld sind sie in Besprechungen, insbesondere wenn viele Männer anwesend sind, eher ruhig. Natürlich könnte man jetzt sagen, die Männer sind schuld, weil sie sich immer so in den Vordergrund drängen. Männer hören uns nicht zu. Doch ich finde, da machen wir es uns zu einfach. Wir tragen oft auch unseren Teil dazu bei, dass wir nicht gehört werden. Und Männer haben sich einfach nur daran gewöhnt, dass in Besprechungen von Frauen meistens weniger kommt. Natürlich sind sie auch nicht immer unbedingt böse darüber. Und sind manchmal überrascht, wenn sich dann auf einmal eine Stimme aus dem „Off“ meldet.

Auch wenn es um das Äußern von kritischen Beiträgen in Meetings geht, sind Frauen eher zurückhaltend. Gleichzeitig ist es nicht unbedingt so, dass sie nichts zu sagen hätten. Sie tun es nur nicht zu diesem Zeitpunkt. Dafür aber umso öfter danach. Nicht wahr, meine Damen?

Das hat häufig verschiedene Ursachen. Es kann damit zu tun haben, dass sie die Reaktionen anderer, besonders die kritischen, fürchten. Sie haben auch Angst, nicht kompetent zu wirken. Manchmal ist es ihnen schlichtweg peinlich, von so vielen Menschen angeschaut, bewertet und eventuell sogar verurteilt zu werden. Was, wenn sie keinen perfekten Auftritt liefern? Was, wenn andere sie nicht sympathisch finden? Sehen sie momentan überhaupt gut aus? Was, wenn kritische Fragen kommen, auf die sie keine Antwort finden, und so weiter. Ihnen fehlt schlicht und ergreifend der Mut. Schon allein der Gedanke, vor eine Gruppe zu treten, verursacht vielen Übelkeit und Angstzustände, wie zum Beispiel zitternde Hände und eine zitternde Stimme, Schweißausbrüche bis hin zu Sprachausfällen. Vielleicht kennst du das ja auch?

Das Gleiche passiert bei Rollenspielen. Die meisten Frauen würden lieber barfuß über glühende Kohlen gehen, als in einem Rollenspiel mitzumachen. Und immer geht es darum, was andere von ihnen denken könnten. Das irgendwelche Mängel zum Vorschein kommen könnten. Wenn dann auch schon vorher negative Erfahrungen gemacht wurden, ist es fast schon unmöglich, sie dazu zu bewegen, es noch einmal zu versuchen.

Da ich ja selbst immer wieder mal Rhetoriktrainings durchführe, begegne ich nicht selten Frauen, die schon am Anfang eines Vortrags in Tränen ausbrechen und den Saal am liebsten fluchtartig verlassen würden. Doch wie soll, gerade im Berufsleben, jemand auf unser Wissen und Können aufmerksam werden, wenn wir uns nicht trauen, es öffentlich zu zeigen? Auch einmal sozusagen im Scheinwerferlicht zu stehen?

Sobald der Spot dann aber aus oder die Besprechung vorbei ist, haben Frauen wieder ganz viel zu sagen. Besonders über die anderen Redner. Wie die wirkten, was die konnten, wie die aussahen. Und nicht alles ist besonders positiv.

Der eigenen Stimme Raum geben

Mit meiner nunmehr über 30-jährigen Berufs- und Beratungserfahrung bin ich jedoch der Meinung, dass gerade den Mut zu haben, auch öffentlich der eigenen Stimme Raum zu geben, eine selbstbewusstseinsstärkende Maßnahme sein kann. Man muss nicht gleich zu einer „Rampensau“ werde, so wie ich sicherlich eine bin, aber man sollte auch nicht davor zurückschrecken. Den Mut haben, das zu sagen und zu teilen, was man zu sagen und zu teilen hat.

Zu viele Frauen stellen ihr Licht unter den Scheffel und erwarten gerade im Berufsleben, dass sie schon jemand bemerken und vielleicht auch mit einer Beförderung belohnen wird, auch wenn sie nur still und fleißig vor sich hin arbeiten. Doch so funktioniert das meistens nicht. Hier greift eher das Prinzip: Tue Gutes und rede drüber. Auch eine Portion Eigenlob ist an der einen oder anderen Stelle angebracht. Im Berufsleben spielt Eigen-PR eine wichtige Rolle, wenn man vorankommen möchte. Wenn du also beruflich Karriere machen möchtest, dann lerne, vor Gruppen zu sprechen. Lass sie hören, was du zu sagen hast. Und ich rede hier nicht vom Schreiben eines Blogs und anonymisierten Kommentaren in sozialen Netzwerken. Ich rede von Gelegenheiten, bei denen reale Menschen vor dir sitzen. Natürlich kannst du trotzdem zusätzlich deine Meinung in einem Blog verbreiten und in sozialen Netzwerken aktiv sein.

Aber gerade an die Jüngeren unter euch appeliere ich: Bitte verwechselt ein Facebooklike für einen geteilten Inhalt oder ein gephotoshopptes Foto von euch nicht mit realer Anerkennung. Es ist sicherlich ein Nice-to-Have, aber lasst es nicht zu einem Must-Have werden. Das macht nur neurotisch.

 Angst vor der Reaktion anderer

Doch gehen wir noch einmal zurück zu meinen Erfahrungen in Rhetorikseminaren. Wenn die bereits erwähnten Frauen sich dann doch vor die Gruppe stellen, um einen Vortrag zu halten, bekommen sie anschließend auch eine Rückmeldung seitens der Zuhörer. Schließlich sind sie ja in einem Seminar und sollen oder wollen lernen, besser vor Gruppen zu sprechen.

Dann passiert fast immer das Gleiche: Besonders am Anfang scheuen sich insbesondere die zuhörenden Frauen, eine ehrliche, konstruktive Kritik zu äußern. Entweder mit der Begründung: „Das fällt mir schwer, weil ich die Person kenne“ oder „Das fällt mir schwer, weil ich die Person nicht kenne.“ Doch mit ein bisschen Unterstützung meinerseits trauen sie sich dann doch. Man kann ihnen aber ansehen, wie unangenehm ihnen das ist. Nachdem sie ein paar zarte Kritikpunkte angesprochen haben, wie zum Beispiel: „Du wirktest etwas nervös, deine Hände haben gezittert“ oder „Ich hätte mir etwas mehr Information zu XY gewünscht“, geht das Drama erst richtig los. Die Rednerin selbst wartet meistens nicht, bis die Rückmeldung zu Ende ist, sondern unterbricht und fängt an, sich zu erklären. Manche entschuldigen sich, andere werden trotzig. Sie hören selten lange genug zu, um eventuell etwas aus dem Kommentar zu lernen. Meistens versuchen sie die Kritik zu wiederlegen oder schämen sich in Grund und Boden.

Schlechter Umgang mit Kritik

Das ist übrigens genau das, wovor die Feedbackgeberin sich gefürchtet hat: dass die Rednerin empfindlich und langatmig reagiert. Eine klassische Reaktion, wenn es um das Entgegennehmen von Kritik geht. Die wenigsten sind mutig genug, kritische Kommentare einfach mal stehen zu lassen. Egal ob gerechtfertigt oder nicht. Sofort fühlen sie sich persönlich angegriffen, nehmen diese Kommentare oft mit nach Hause und grübeln darüber nach. Meistens führt diese emotionale Auseinandersetzung zu einer Verzerrung dessen, was wirklich gesagt wurde. Letztendlich drehen sie sich im Kreis. So kann frau natürlich nicht besser werden, wenn es darum geht, auch einmal öffentlich vor anderen zu sprechen. Stattdessen werden diese Erfahrungen negativ abgespeichert und führen dazu, dass Frauen sich zurückziehen, statt aus ihren Erfahrungen wertvolle Schlüsse für das nächste Mal zu ziehen. Es gibt einfach kein nächstes Mal.

Übung: Mein persönlicher Film

Diese Übung soll dir helfen, wenn du planst, dich demnächst mehr öffentlich zu äußern. Nehmen wir für diese Übung das Beispiel einer wichtigen regelmäßigen Besprechung, an der du dich zukünftig mehr beteiligen möchtest. In der du deine Meinung aussprechen möchtest.

Such dir einen ruhigen Ort, an dem du für ca. 30 Minuten arbeiten kannst. Setz dich auf einen Stuhl oder in einen bequemen Sessel. Schließ die Augen. Stell dir vor, du sitzt in einem Kino und im Saal ist es dunkel. Die Werbung ist vorbei und der Hauptfilm beginnt.

Auf der Leinwand siehst du jetzt dich selbst in der zukünftigen Situation. Wer ist in dieser Szene noch anwesend? Wo befindet sich dein zweites Ich? Hör genau hin, was es in dieser Szene zu hören gibt. Vielleicht Geräusche außerhalb des Raumes oder Gespräche zwischen anwesenden Personen. Jetzt spricht eine dieser Personen in die Runde und präsentiert unterschiedliche Informationen. Fragt die Anwesenden nach ihrer Meinung oder nach ihren Ideen.

Dein zweites Ich hat auf jeden Fall Ideen und auch eine Meinung zu dem Gesagten. Jetzt schau genau hin, wie dein zweites Ich sich aufrichtet und seine Hand hebt, um zu zeigen, dass es etwas zu sagen hat. Der Vortragende schaut es fragend an und bittet es zu sprechen. Jetzt hör genau hin, wie dein zweites Ich seine Meinung sicher und selbstbewusst vorträgt. Wie sieht es dabei aus, welche Worte benutzt es? Welche Reaktionen siehst du bei den anderen Anwesenden? Vielleicht Zustimmung, vielleicht auch kritische Blicke. Jetzt hörst Du, wie dein zweites Ich professionell und souverän mit möglichen Einwänden oder mit Kritik umgeht. Wie es sich nicht aus der Ruhe bringen lässt.

Modifiziere diese Szene so lange, bis sie dich zufriedenstellt. Bis dein zweites Ich so agiert, wie du es zukünftig gern tun möchtest. Wenn die Szene für dich passt, dann lass diesen kleinen Film noch einmal vor deinem inneren Auge ablaufen, so als würdest du ein Video zurückspulen und wieder vorwärtslaufen lassen. Wiederhol das fünf- bis zehnmal.

Wenn du fertig bist, atme dreimal tief durch und öffne deine Augen. Jetzt schreib dir auf, was dein zweites Ich gesagt oder getan hat, was es so souverän hat wirken lassen. Welche Körpersprache war hilfreich, um seine Botschaft zu verstärken? Wenn du das erledigt hast, hast du sozusagen einen Fahrplan für die nächste Besprechung. Du kannst dir Stichpunkte aus deiner „Filmerfahrung“ mitnehmen und einsetzen.

Diese Technik der virtuellen Trainingsläufe stammt aus dem Mentaltraining und kann dir helfen, dich auf eine reale Situation besser vorzubereiten.

Noch ein paar Tipps

Hilfreiche Formulierungen, um seine eigene Meinung zu verstärken, sind:

  • Ich denke, dass…
  • Ich bin der Meinung, dass…
  • Ich meine, dass…
  • Für mich klingt das…

 Der Kosten-Nutzen-Check

Wenn du in solchen Situationen zögerst, deine Meinung auszusprechen, stell dir folgende beide Fragen:

  1. Wenn ich mich jetzt zurückhalte, wozu dient mir das? Finde den Hinderungsgrund heraus.
  2. Wenn ich mich wieder nicht melde, was verhindere ich dann Positives?
    Mach dir bewusst, welchen Preis du für das Nichtagieren zahlst.

Und jetzt mach den Mund auf und sag, was du zu sagen hast.

Weitere Informationen zu dem Thema Konflikte finden Sie hier:

Video:Wie Sie Ihren inneren Perfektionisten besser in den Griff bekommen

Video: Umgang mit Lampenfieber & Redeangst

Was steckt hinter Redeangst

Stephan Pinkwart