Guten Morgen Frau Müller, wie geht es uns denn heute?
Über die Schwierigkeiten und Chancen der zwischenmenschlichen Kommunikation zwischen Arzt/Ärztin und Patient
Eins der Hauptkriterien, an denen der Patient seine Zufriedenheit während und nach eines Krankenhausaufenthaltes oder nach einem Besuch in einer Arztpraxis mißt, ist die Aufmerksamkeit und Betreuung, die er oder sie durch den behandelnden Arzt erfahren haben. Fragt man den Arzt, wird der Patient in den meisten Fällen medizinisch optimal betreut und somit, aus Sicht des Arztes, seine Zufriedenheit sichergestellt. Fragt man den Patienten, fühlt er sich oftmals vernachlässigt und zum Teil sogar gänzlich ignoriert. Wie kann es zu dieser unterschiedlichen Auffassung kommen?
Ärzte und Patienten haben unterschiedliche Bedürfnisse
Ärzte setzen gute medizinische Betreuung oft gleich mit psychologischer Betreuung und Aufmerksamkeit. Für etwaige Zuwendung oder Betreuung über den medizinischen Bereich hinaus, sprich’ das Gespräch, bzw. Kommunikation scheint einfach keine Zeit da zu sein. So wird jedenfalls behauptet. Wenn sie (die Ärzte) Zeit hätten, würden sie ja – kommunizieren, heißt das, denn schließlich kann das doch jeder! Doch können sie es wirklich? Und wollen sie es auch wirklich immer? Ist es doch oftmals schneller und leichter mit medizinischen Fachausdrücken und dem permanenten Ausdruck des Zeitmangels den Patienten „ in seinen Schranken zu lassen“.
Schon am Anfang des Medizinstudiums läuft etwas schief…
Der klassische Medizinstudent verbringt die Jahre seines Studiums mit der intensiven Wissensaufnahme über den menschlichen Körper, seine Anatomie, mögliche Störfunktionen und den dazu passende „Heilungsmethoden“.
Die Seele des Patienten gehört in diesem Wissensstudium nicht dazu und bleibt fast immer gänzlich außen vor. Was den Patienten als Menschen ausmacht, bleibt auf der Strecke, wird oftmals eher skeptisch beäugt und unter dem Deckmantel der „nichtmedizinischen“ Psychologie abgespeichert, denn dafür gibt es ja Psychologen, Sozialpädagogen und andere Therapeuten…
Als Arzt in Praxis muss der angehende Klinikarzt sich sehr schnell starren hierarchischen Systemen unterordnen und sich zum Teil bis zur Selbstaufgabe anpassen. Da bleibt wenig Zeit für den Patienten und die Auseinandersetzung mit den menschlichen Bedürfnissen des Patienten sowie den eigenen.
Als Stationsarzt nimmt der Verantwortungsbereich sukzessive zu, der Konkurrenzkampf untereinander wird immer ausgeprägter und die Unterstützung vom Pflegepersonal oftmals durch althergebrachte Animositäten zwischen beiden Berufsgruppen wird immer geringer. Da bleibt wenig Zeit für den Patienten und seine kommunikativen Bedürfnisse. Nun werden jedoch immer mehr Stimmen laut, insbesondere die der Patienten, die im Zuge der Dienstleistungsgesellschaft und Kundenorientierung immer mehr auch die kommunikativen Fähigkeiten des Arztes fordern.
Doch leider sind diese Fähigkeiten über die Jahre immer mehr verkümmert. Zusätzlich dazu ist der immer herrschende Zeitmangel eine willkommene Entschuldigung für fehlende Kommunikation. Doch auch in wenig Zeit, kann der Einzelne, in diesem Fall der Arzt, qualitativ hochwertige und menschlichen Bedürfnissen entsprechende Kommunikation betreiben. Wie? Hier fünf Tipps für den partnerschaftlichen und kommunikativen Umgang mit Patienten (Tipps, die sich natürlich auch mühelos auf den Umgang mit anderen Menschen übertragen lassen).
Tipp 1: Versetzen Sie sich in die Situation des Patienten
Waren Sie selbst schon einmal Patient? Erinnern Sie sich daran, wie es Ihnen damals ergangen ist. Welche Ängste hatten Sie, welche Gefühle und Bedürfnisse? Falls Sie noch nie Patient waren, erinnern Sie sich an Situationen in denen es Ihnen körperlich nicht gut ging, z.B. bei einer Grippe oder fragen Sie Freunde und Bekannte. Versuchen Sie ein Gefühl für die „Welt des Patienten“ zu bekommen, um somit eine positive Einstellung ihm gegenüber zu bekommen oder zu wahren.
Tipp 2: Schaffen Sie einen Rapport zu Ihrem Patienten
Rapport ist der Hauptbestandteil jeder effektiven Kommunikation. Rapport bedeutet eine freundliche Beziehung, die durch gegenseitige Achtung und Vertrauen gekennzeichnet ist. Wir fürchten uns oft vor dem oder denjenigen, den wir nicht kennen. Rapport stellen wir her, indem wir Gemeinsamkeiten schaffen oder zu erkennen geben, dass wir und der andere die gleichen Gefühle erleben oder der gleichen Meinung sind. Zeigen Sie ihm „Ich bin so, wie Du. Du brauchst keine Angst vor mir zu haben.“. Das können Sie erreichen, indem Sie seine Körpersprache ein wenig spiegeln, sich ähnlich hinsetzen oder sich dem Tonfall seiner Stimme angleichen oder z.B. auch ähnliche Worte benutzen. Verwenden Sie soweit wie möglich Umgangssprache und kein Fachchinesisch!
Tipp 3: Nehmen Sie den ganzen Patienten wahr
Achten Sie neben seinen Worten auf seine Mimik, Körpersprache und den Tonfall seiner Stimme. Stimmen die Worte, die er sagt, mit seiner Körpersprache überein? Oder versucht er vielleicht „stärker“ zu wirken, als er sich in Wahrheit wirklich fühlt. Haken Sie nach, wenn Sie das Gefühl haben „nicht die ganze Information“ bekommen zu haben. „Ich habe das Gefühl, daß Sie eventuell noch offene Fragen haben oder vielleicht auch ein wenig Angst vor dem bevorstehenden Eingriff haben, was absolut verständlich wäre“. Laden Sie ihn zu Sprechen ein und schaffen Sie einen „sicheren“ Rahmen“.
Tipp 4: Achten Sie auf Ihre eigene Körpersprache, Ihre Mimik und den Tonfall Ihrer Stimme
Stimmen diese mit Ihren Worten überein oder gibt es da Inkongruenzen? Kommunikation ist mehr als nur das Aussprechen von Worten. Eine Botschaft wird nur zu ca. 7% über Worte vermittelt und zu 38% über Tonfall und 55% über Körpersprache. Das Unterbewusstsein Ihres Gegenübers konzentriert sich primär auf die 93% der Botschaft, die nicht aus Worten besteht.
Tipp 5: Hören Sie aktiv zu!
Das erfordert, dass Sie Ihre Gedanken und Gefühle erste einmal zurückdrängen, dass Sie Ihre Sicht der Dinge soweit wie möglich ausblenden, um die persönlichen Gedanken und Gefühle Ihres Gegenübers in ihrer Unverwechselbarkeit wirklich verstehen können. Aktives Zuhören, heißt für den Zuhörenden, mit dem Redenden zu empfinden, sich vorübergehend mit ihm zu identifizieren, sich auf „seine Wirklichkeit“ einzulassen.
Aktives Zuhören besteht nicht nur aus hören, sondern auch aus hinterfragen von gegebenen Informationen. „Ich kann nicht mehr!“. Was können Sie nicht mehr?“ Wann genau können Sie nicht mehr? Woher wissen Sie, dass Sie nicht mehr können? Nur durch das Abfragen von fehlenden Informationen, können Sie sicher einschätzen, wie es Ihrem Patienten wirklich geht und was er wirklich braucht. Fassen Sie zusammen, was Sie glauben verstanden zu haben, um somit dem Patienten die Möglichkeit zu geben „Informationskorrekturen“ durchzuführen und Sie beide auf den gleichen „Wissenstand“ zu bringen.
Qualität statt Quantität
Die oben genannten Tipps stellen natürlich nur einen Bruchteil der Möglichkeiten dar, um die Kommunikation mit Ihrem Patienten zu verbessern. Eins möchte ich Ihnen jedoch auf jeden Fall mit auf den Weg geben: Sie müssen nicht Unmengen von Zeit aufwenden, um die Kommunikation mit Ihrem Patienten zu verbessern, sondern Sie müssen sich einfach nur während der verfügbaren Zeit intensiver um Ihren Patienten bemühen. Ihn wirklich wahrnehmen, ihm zuhören und mit „ihm“ statt über ihn oder über seine Krankheit zu sprechen. Der Patient und seine Krankheit sind immer eins. Zusammenfassend wäre zu sagen: Qualität über Quantität. Die Optimierung Ihrer eigenen Kommunikationsfähigkeiten wird auf jeden Fall zur Zufriedenheit Ihrer Patienten beitragen und letztendlich auch Ihrer eigenen.
Viel Spaß dabei!