Das Miteinander in Kliniken lässt zu wünschen übrig…
Mal ein kleiner (und auch kritischer) Einblick in meine Welt als Klinikcoach und Mediatorin mit über 30 Jahren Klinikerfahrung:
Ich begegne in Kliniken vermehrt Menschen, die lautstark verkünden, dass sie Veränderung wollen. Gleichzeitig sind sie jedoch nicht bereit, sich selbst zu verändern. Die Veränderung betrifft immer „die anderen“: den Vorgesetzten, die Vorgesetzte, die Verwaltung, die Patienten, andere Berufsgruppen, Kolleg*innen, das System usw.
Alle sollen sich ändern, damit derjenige, der sich beschwert letztendlich so arbeiten kann, wie er/sie es gerne möchte, und wann er oder sie es möchte. Das kann sich auch spontan immer wieder mal ändern. So viel Flexibilität sollte ein Dienstplan schon hergeben… Am besten ungestört, unkommentiert und begleitet von viel Wertschätzung und null Einschränkung.
Gleichzeitig geben gerade diese Menschen aber anderen oft nur sehr wenig Wertschätzung und es werden anderen immer nur niedere Motive unterstellt, wenn die etwas ändern möchten, oder vielleicht auch nicht ändern möchten oder können.
Selten ist jemand bereit dazu, sich in den anderen hineinzuversetzen, um Dinge auch einmal aus deren Sicht zu betrachten. Schließlich weiß man doch wie der andere tickt… Stattdessen wird immer nur Verständnis vom anderen erwartet.
Man geht einfach selten in einen offenen Dialog, ohne sich gleich persönlich angegriffen zu fühlen. Stattdessen jede Menge destruktiver Klatsch und Tratsch.
So tun als wäre man eine Insel
Gleichzeitig sind nicht nur in Interdisziplinären Bereichen die Mitarbeiter*innen sehr voneinander abhängig. Da gerade in Krankenhäusern niemand „eine Insel“ ist. Viele arbeiten aber genau so. Ohne Verständnis oder Berücksichtigung von anderen.
Wenn man sie darauf anspricht, gibt es natürlich immer „tausend Erklärungen“ warum sie sich genau richtig verhalten…
Da frage ich mich, wie solche Konzepte wie Agiles Arbeiten, New Work und ähnliches funktionieren sollen, wenn der große Teil der Mitarbeitenden nicht aus der eigenen Komfortzone raus will. Und ohne wird es nicht gehen, und das auf allen Ebenen. Und in allen Alters- und Berufsgruppen.
Da braucht es einen langen Atem, viel Geduld und manchmal auch die Fähigkeit, die Ohren „auf Durchzug zu schalten“, wenn man zu 150-mal die gleichen Argumente hört.
Es besteht einfach wenig Bereitschaft sich aufeinander einzulassen, konstruktiv miteinander zu diskutieren, die eigenen Schützengräben aufzugeben und die Bereitschaft Fehler zu machen. Denn wenn man etwas Neues ausprobiert gibt es keine Garantie auf Erfolg. Stattdessen dienen Fehler eher dazu, das Ungewohnte gleich wieder zu verteufeln, die Schuldigen zu suchen und sich wieder in die eigene Komfortzone der Selbstgerechtigkeit zurückzuziehen.
Es wird viel gepredigt, doch nur wenige praktizieren auch
Natürlich gibt es solche Phänomene auch in anderen Branchen, doch meine Welt sind nun einmal Kliniken. Wie wollen Kliniken zukünftig überleben, neben zunehmendem ökonomischen Druck, wenn die darin arbeitenden Mitarbeiter*innen zwar viel von Team, Miteinander und Wertschätzung sprechen, gleichzeitig aber nur wenige diese Werte leben? Höchstens im engsten Kollegenkreis (wenn überhaupt).
Stattdessen viel Egoismus auf Kosten der Kolleg*innen (Krankenscheine, wenn man Wünsche nicht erfüllt bekommt; Erpressungsversuche wenn einem etwas nicht passt: „Ich kann auch woanders hingehen“; anonyme Briefe an die MAV und vieles mehr). Und das auf Kosten all‘ jener Mitarbeiter*innen, die ihren Beruf lieben, für Patienten da sein wollen und auch „ihre Klinik“ nicht untergehen sehen wollen. Das betrifft auch Verwaltungsmitarbeiter*innen und nicht nur Pflege und Ärzte. Denn auch diese arbeiten für den Patienten. Das nur mal am Rande…
Wenn Feindbilder wichtiger sind als eine ehrliche Auseinandersetzung
Wenn Feindbilder unreflektiert auf andere projiziert werden (z.B. Führungskräfte, Kaufmänner und-frauen, Chefärzte und viele mehr). Wenn sich viele nur noch als Opfer sehen und Verantwortung abgeben für ihr eigenes Wohlbefinden. Wenn gegenseitige Unterstützung, der Teamgedanke und Verständnis nur noch zu Schlagwörtern degradiert werden, ohne dass sie jeder Einzelne mit Leben füllt.
Nach über dreißig Jahren in Kliniken bin ich manchmal sprachlos über diese Art des Umgangs. Denn meiner Meinung nach ist nicht ein System schuld, sondern die Menschen, die solch ein solches System ausmachen. Wenn das so weitergeht, sehe ich wirklich „schwarz“ für unsere Kliniken, neben all‘ der Überbürokratie, Globalisierung, fehlender Digitalisierung, sich ständig ändernden Regelwerken und anderen äußeren Einflüssen. Von neuen Viren und deren Mutanten will ich erst gar nicht anfangen…
Jetzt bin ich sehr gespannt auf Kommentare, mögliche Gegendarstellungen, positive Beispiele und so weiter.
Und übrigens: Ich arbeite auch noch nach 30 Jahren noch immer sehr gerne mit den vielen tollen Mitarbeiter*innen, die es ja Gott sei Dank auch noch in Kliniken gibt 😉
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