Klinikführungskräfte haben es immer schwerer…
… und ich bin immer mehr genervt, dass viele (nicht alle) Mitarbeiter*innen immer nur noch auf ihre Führungskräfte zeigen, statt selbst einen Beitrag dazu zu leisten, dass der Arbeitsalltag ein klein bisschen besser wird. Natürlich ist vieles verbesserungsbedürftig, doch liegt es nicht an Führungskräften allein, dass es besser wird.
Ich arbeite seit 1994 in deutschen Kliniken. Zuvor war ich viele Jahre in den USA und dort einige Jahre in einem großen Klinikverbund tätig. Seit Jahrzehnten arbeite ich jetzt schon mit Führungskräften in Kliniken – mit Stationsleitungen und Abteilungsleiter*innen; mit Oberärzt*innen, Chefärzt*innen, Geschäftsführer*innen und Vorständen.
In all diesen Jahren habe ich den Klinikalltag gut kennenlernen dürfen. Ich war schon Coach in Kliniken, bevor es den Begriff Coach überhaupt gab. Und wenn ich mir die Beiträge auf unterschiedlichen Medien anschaue, habe ich das Gefühl, dass Führungskräfte mittlerweile eigentlich „Eierlegende Wollmilchsäue“ sein müssen?
Kliniken sind schon ein bisschen anders
Das ist schon schwer in der freien Wirtschaft, aber ich glaube, es ist noch schwerer in Kliniken. Denn dort gibt es noch sehr starke Hierarchien, die letztendlich auch viele Jahre dafür gesorgt haben, natürlich zusammen mit ihren Mitarbeitern, dass die Betriebe laufen. Jetzt sollen sie sich neu aufstellen bzw. neu erfinden. Es ist ja, wie man überall hört, ein Arbeitnehmermarkt. Sie müssen andere Führungskräfte sein, als sie es je gelernt haben. Wenn sie es überhaupt gelernt haben. Anders als die Vorbilder, die sie bis dato hatten.
Es ist schwer und niemand redet darüber
Und niemand redet darüber, wie schwer das ist. Wenige zeigen Empathie für Führungskräfte. Meistens sind das einfach nur die „Feinde“ oder „die da oben“. Im Krankenhaus sind die Verwaltungsführungskräfte natürlich auch noch Geldgierig und unmenschlich. Das liest man ja auch schon in der Presse, ganz zu schweigen von den Sendungen im Fernsehen. Die „Guten und die Opfer“ sind mittlerweile nur noch die Pflege und vereinzelte Ärzte. Und natürlich auch die Patient*innen.
Es ist ein Arbeitnehmermarkt
Stattdessen wird viel darüber geredet, was Mitarbeiter*innen und Berufsanfänger jetzt alles wollen und brauchen. Die neuen Mitarbeiter*innen (und auch alte Mitarbeiter*innen) kommen mit immer mehr Forderungen: Work Life Balance, Teilzeit, flache Hierarchien, Mitbestimmung (aber nicht unbedingt mit der dazugehörigen Verantwortung), New Work, Agiles Arbeiten, Incentives und Benefits und vieles mehr. Führungskraft werden, wollen anscheinend auch immer weniger. Aber letztendlich braucht man die ja auch bald nicht mehr, denn alle Teams organisieren sich selbst…
Wertschätzung ist keine Einbahnstraße
Es wird nicht verhandelt, es wird gefordert und zunehmend wird auch erpresst: „Wenn ich das nicht bekomme, dann gehe ich oder ich komme erst gar nicht.“ Das höre ich im Austausch mit meinen Klinikführungskräften mittlerweile bei fast jedem Treffen. Ist das Wertschätzung? Das, wonach gerade in Kliniken immer mehr gefordert wird. Wenn ich dann Mitarbeiter*innen frage, was die Führungskraft tun muss, damit sie sich wertgeschätzt fühlen, hat kaum jemand eine Antwort, aber Hauptsache wertgeschätzt… Konflikte nehmen zu, doch kaum jemand möchte sich mit anderen Parteien an einen Tisch setzen, um sie zu lösen. Das müssen die Führungskräfte erledigen und wenn nicht, kann es auch schon einmal anonyme Briefe hageln.
Mitarbeiteransprüche, die einfach nicht alle erfüllbar sind
Besonders Stationsleitungen und Abteilungsleiter leiden unter den gestiegenen Mitarbeitersprüchen, die sie oftmals gar nicht erfüllen können und manchmal auch einfach nicht wollen (besonders wenn diese nur egoistisch und nicht teamorientiert sind). Es geht um Wunschdienstpläne, genügend Zeit mit Patienten, Beschwerden über Kolleg*innen, ausländische Mitarbeiter*innen sollen sich ohne Unterstützung gleich integrieren usw. Stationsleitungen sollen Ersatz finden, wenn Mitarbeiter*innen sich krankmelden, ohne krank zu sein (was übrigens zunimmt). Und natürlich auch, wenn Mitarbeiter*innen sich krankmelden, die wirklich krank sind. Sie versuchen, jeden Tag ihr Bestes und gleichzeitig bekommen sie oft sehr wenig Wertschätzung von ihren Mitarbeiter*innen. Und wenn sie Pech haben, auch wenig Unterstützung von ihren Pflegedienstleitungen. Diese haben oft zu viele Baustellen auf zu vielen Stationen. Genauso wie Führungskräfte in allen anderen Klinikbereichen auch. Und dann wären da noch die „bösen Kaufmänner“, die überall sparen. Oft tun sie das nicht, weil ihnen die Mitarbeiter*innen egal sind, sondern weil sie das Geld gar nicht haben. Und das System so aufgebaut ist, wie es ist.
Gehaltserhöhungen, wenn man 7-15 Millionen Miese hat, das passt einfach nicht zusammen. Und daran ist nicht der Kaufmann schuld, sondern eher das Vergütungssystem der Regierung und der Kassen. Und wenn Herr Lauterbach das jetzt ändert, wird es wahrscheinlich noch mehr Geld kosten. Der Chef der Krankenkasse „DAK-Gesundheit“, Andreas Storm, rechnet für die von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplante Krankenhausreform in den nächsten zehn Jahren mit Kosten von bis zu 100 Milliarden Euro. Er fordert dafür ein Sondervermögen des Bundes. „Die Reform wird nur erfolgreich sein, wenn ausreichend Geld für den Umbau der Krankenhauslandschaft zur Verfügung gestellt wird“, sagte Storm *. Das muss dann der Steuerzahler oder das Krankenkassenmitglied zahlen. Denn alles kostet einen Preis. Mal sehen, wie laut dann das Geschrei ist.
Ja, es gibt viele Baustellen im deutschen Gesundheitswesen. Die wir nur nacheinander und gemeinsam lösen können. Nicht nur der jeweils andere oder die Führungskräfte. Also bitte mal in den Spiegel schauen und sich fragen: „Was kann ich in meinem direkten Arbeitsumfeld dazu beitragen, dass es mit den Kolleg*innen und mit meiner Führungskraft besser wird? Das es mit den Arbeitsbedingungen ein bisschen besser wird?“ Auch kleine Veränderungen und kleine Schritte bringen einen voran. Ist das einfach? Nein. Muss ich dafür aus meiner Komfortzone? Ja. Nur gemeinsam ist das möglich und nicht mit Feindbildern, zunehmendem Egoismus, Schuldzuweisungen und Jammerei.
Ich freue mich auf jeden Fall immer, wenn ich als Führungs- und Konfliktcoach einen kleinen Beitrag dazu leisten kann, dass Menschen wieder anders miteinander arbeiten. Das ist nicht New Work. Das ist Good Work.
* DAK rechnet mit Krankenhausreform-Kosten von 100 Milliarden Euro (oldenburger-onlinezeitung.de)
Das Miteinander in Kliniken lässt zu wünschen übrig… – Heike Cobaugh – Ihr Klinik-Konflikt-Coach