Wie Sie Ärzte an Ihre Klinik binden

Wahrscheinlich kennen Sie das: Der Wettkampf um qualifizierte und engagierte ärztliche Mitarbeiter wird immer härter. Aufgrund der demografischen Entwicklung wird sich das voraussichtlich auch nicht allzu schnell ändern. Gleichzeitig haben junge Ärzte mittlerweile andere und oftmals auch mehr Ansprüche, als die Generationen zuvor. Die Zeiten, wo junge Ärzte einfach nur froh waren, überhaupt eine Klinik zu finden, sind vorbei. Heute haben sie oft die Qual der Wahl.

Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass viele Kliniken sich immer noch nicht auf die veränderten Bedingungen eingestellt haben. Stattdessen hadern sie mit den Veränderungen und der Mangelware Arzt. Sie vertrauen immer noch auf die gute, alte Anzeige in einem Fachmedium oder nehmen die Dienste eines Headhunters in Anspruch. Doch auch deren Erfolge werden immer geringer.

Schaut man sich die Webseiten solcher Kliniken an, verbreiten diese oft „gähnende Langeweile“, sind umständlich zu bedienen und bieten wenig konkrete Informationen, speziell für Ärzte. Besonders junge Ärzte nutzen das Internet, um sich über potentielle Arbeitgeber zu informieren. Sie suchen nach konkreten Informationen zur strukturierten Weiterbildung. Was bietet ein Haus an Personalentwicklung und an Personalbindung? Wie sieht es aus mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Gibt es Teilzeitmodelle für Ärzte, Kitas für den Nachwuchs und Gesundheitsprogramme zur Erhaltung der eigenen Gesundheit?

Doch nicht nur dass, was ich im Vorfeld recherchieren kann, ist entscheidend… Selbst wenn der Vertrag bereits unterschrieben ist, haben Ärzte, wie alle anderen Arbeitnehmer auch, eine Probezeit. Während früher die Probezeit eher dazu gedacht war, für das Unternehmen zu entscheiden, ob es den neuen Mitarbeiter behalten möchte, dient sie heute auch dazu, dass Arbeitnehmer wieder aussteigen können. Es ist beileibe keine Arbeitgeberfreundliche Einbahnstraße mehr…

Die ersten Tage in einer Klinik entscheiden darüber, ob ein Arzt langfristig bleibt oder sich schnell nach anderen Kliniken umschaut, die ihre Versprechen aus den Bewerbungsgesprächen halten kann.

Oft erlebt der Arzt bereits an seinem ersten Tag eine böse Überraschung. Der erste und die folgenden Arbeitstage sind häufig von Orientierungslosigkeit geprägt. Es gibt keine Einarbeitungspläne, keine Struktur. Meistens wird der Arzt sofort ins „kalte Wasser geworfen“. Soll all‘ das übernehmen, was liegengeblieben ist. Das geht sogar soweit, dass neue Ärzte noch nicht einmal entsprechend vorgestellt, noch eingeführt werden. Das führt wiederrum zu großen Irritationen bei den Kollegen, anderen Fachabteilungen und der Pflege.

Die Werbungsphase ist ganz klar vorbei und die „hässliche Fratze“ des Alltags zeigt ihr Gesicht. Der eigene neue Vorgesetzte ist kaum erreichbar und auch die vorherrschenden Regeln, Abläufe und Prozesse wurden noch nicht einmal vorgestellt, geschweige denn erklärt. Und trotzdem wundert es den einen oder anderen Chefarzt immer noch, dass die neuen Mitarbeiter sich nicht willkommen geheißen fühlen, geschweige denn bleiben wollen…

Meistens wird dann der Zeitfaktor ins Feld geführt. Es fehlte die Zeit, sich um den Neuen zu kümmern. Doch seien Sie ehrlich: Früher, als es angeblich noch mehr Zeit gab, hat man das auch nicht gemacht. Es hat sich nur niemand daran gestört und die neuen Mitarbeiter sind dann auch nicht wieder gegangen. Tja, die guten alten Zeiten… sind vorbei!

Als Chefarzt müssen Sie nicht selbst die Einführung übernehmen, aber es sollte Chefsache sein, dass Sie dafür sorgen, dass ein Einarbeitungskonzept erarbeitet wird. Sie sind dafür verantwortlich Mitarbeiter zu benennen, die sich um den „Neuling“ kümmern. Und Sie sind dafür verantwortlich, dass diese das auch tun. Gleichzeitig sollten Sie Zeitfenster schaffen (wenigstens während der ersten 3 Monate), in denen ein regelmäßiger Austausch mit dem neuen Mitarbeiter stattfindet.

Neue Mitarbeiter sind Chefsache. Das bedeutet auch, dass Sie ein Auge darauf haben, ob der neue Mitarbeiter sich gut integriert und die erforderlichen (realistischen) Leistungen erbringt. Sollte es diesbezüglich Probleme geben, gehen Sie diese an. Damit sind auch Konflikte unter Ihren Mitarbeiter gemeint. Lassen Sie diese nicht laufen, nur weil es „Akademiker“ sind. Sollte ein Mitarbeiter den geforderten Erwartungen, nach einer professionellen Einarbeitung nicht genügen, scheuen Sie sich nicht, diesen während der Probezeit gehen zu lassen. Ich kenne viele Chefärzte, die den Zeitpunkt der Probezeit aus Konfliktscheue oder Bequemlichkeit, verstreichen lassen. Dann wird es erst recht schwierig, diesen Mitarbeiter zu integrieren.

Kliniken müssen natürlich auch generell umdenken. Es gilt attraktive Angebote für angehende Ärzte zu machen, um die Zukunft der Klinik mit abzusichern. Besonders im Ländlichen Raum. Ein interessantes Beispiel ist da das Harz-Klinikum Wernigerode. Neben besten Weiterbildungsmöglichkeiten bieten Sie für PJler und Famulanten zudem das „Rundum-sorglos-Paket“: Sie stellen eine zentrale Wohnung, kostenfreie Verpflegung, eine Vergütung und bieten einen sehr engen Draht zu den Ausbildern. So können sich PJler und Famulanten ganz auf ihre Ausbildung konzentrieren. Ein Angebot, das sehr gut angenommen wird.

Hier ein Auszug aus einem Interview mit Ellen Struckmeyer, Zentrale Ansprechpartnerin für die Personalentwicklung und das Personalmarketing: „Viele Mitarbeiter binden wir bereits sehr früh. Im Jahr 2015 haben wir das Dorothea-Christiane-Erxleben-Stipendium eingeführt. Ab dem 3. Studienjahr erhalten Stipendiaten monatlich 450 Euro, eine interessante Stelle für die Famulatur und das PJ, und ihnen steht im Anschluss ein Arbeitsplatz als Weiterbildungsassistent im angestrebten Fachgebiet zur Verfügung. Sie haben quasi einen festen Job in der Tasche. In welchen Fachbereichen wir einen hohen Bedarf an Ärzten in Weiterbildung haben, ändert sich jährlich. Wir haben die erfreuliche Erfahrung gemacht, dass anschließend sehr viele der jungen Ärzte bei uns im Harzklinikum bleiben wollen. Das hängt natürlich davon ab, welche Stellen gerade verfügbar sind.“

Letztendlich geht es darum neue Wege zu gehen. Die Zielgruppe auf unterschiedlichen Kanälen zu erreichen: Fachmedien, Online, Messen, Symposien, Soziale Medien etc. Dorthin zu gehen, wo die Zielgruppe ist. Und das erreicht man nicht mit einem Praktikanten, der Medienaffin ist. Personalrecruiting muss als Stabstelle in der Geschäftsführung angesiedelt werden. Strategisch und Zielorientiert. Nur so lassen sich Ärzte finden und binden.

(Anmerkung: Aus Gründen der Lesbarkeit wurde im Text die männliche Form gewählt, nichtsdestotrotz beziehen sich die Angaben auf Angehörige beider Geschlechter.)

 

 

 

 

 

 

 

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